Medizin in der Praxis lernen statt aus Büchern

Im September 2019 haben 40 Medizinstudierende den neuen Master in Humanmedizin in Freiburg begonnen, der sie bis zum Staatsexamen führt. Der Schwerpunkt des Studiengangs liegt auf der Hausarztmedizin. So soll die Nachfolge an qualifizierten Hausärztinnen und Hausärzten im Kanton gefördert werden.

«Die Ausbildung ist sehr praxisorientiert», betont Dr. med. Antoine Meyer. Er ist Mitglied des Steuerungsausschusses, der den Master auf die Beine gestellt hat. Professor Pierre-Yves Rodondi, Direktor des neuen Instituts für Hausarztmedizin der Universität Freiburg, fügt hinzu: «Es geht darum, Medizin in der Praxis zu lernen statt nur aus Büchern». Die beiden Ärzte freuen sich insbesondere über die Zusammenarbeit mit den Hausärzten, welche die Studierenden in ihren Praxen aufnehmen werden. Diese fachübergreifende Zusammenarbeit beschränkt sich nicht nur auf die ärztlichen Grundversorger, sondern umfasst zahlreiche Akteure des Gesundheitswesens. So sind auch das Freiburger Netzwerk für psychische Gesundheit (FNPG) und das freiburger Spital (HFR) am Projekt beteiligt. 

«Mit weniger als einem Hausarzt pro 1000 Bewohner schnitt Freiburg gemäss den Zahlen von 2014 im Schweizer Vergleich schlecht ab», erinnert Dr. med. Meyer, Leitender Arzt der Klinik für Allgemeine Chirurgie am HFR Freiburg – Kantonsspital. «Es hat sich jedoch gezeigt, dass sich Medizinstudierende eher dort niederlassen, wo sie studiert und ihre Weiterbildung abgeschlossen haben. Wir hoffen daher, die Arztpraxen des Kantons mit Nachwuchs zu versorgen», erläutert Prof. Dr. med. Rodondi, der einen Teil seiner Spezialisierung in der Allgemeinen Inneren Medizin in Freiburg absolviert hatte, bevor er seine Praxis in Pully (VD) eröffnete.

«Der Patient im Zentrum des Unterrichts» 

Die beiden Ärzte sind sich einig: Die Ausbildung des Ärztenachwuchses von A bis Z ist ein grosser Vorteil für die Attraktivität Freiburgs, und der Schwerpunkt in Hausarztmedizin stellt den Patienten ins Zentrum des Unterrichts. «Der Master ist auch für die Ärzte sehr stimulierend. Zum einen bleiben sie so immer auf dem neusten Stand und zum anderen ist es ihnen eine Freude und erfüllt sie mit Stolz, ihr Wissen an die nächste Generation weiterzugeben.» Die Ärztinnen und Ärzte von morgen, die zweisprachig unterrichtet werden, stehen während des Studiums in direktem Kontakt mit Patienten des HFR, des FNPG oder der allgemeinmedizinischen Praxen, wo sie innerhalb von drei Jahren rund 60 Praktikumstage absolvieren. Das ist schweizweit die längste Praktikumsdauer. 

Ein Plus für die Studierenden, aber was ist mit den Patienten? «Wir haben sehr gute Erfahrungen gemacht. Manchmal sind es eher die angehenden Mediziner, die schüchtern oder verlegen sind, und nicht die Patienten», erzählen Dr. med. Meyer und Prof. Dr. med. Rodondi. Letzterer fügt schmunzelnd hinzu: «Meine Patienten sagen oft, dass die Praktikanten ihnen mehr Zeit widmen als ich!»

 

Im Rhythmus der Jahreszeiten

Während ihres Masterstudiums tauchen die Studierenden in den Alltag eines Hausarztes ein. Prof. Dr. med. Pierre-Yves Rodondi ist vom Konzept überzeugt: «Sie werden Teil des Lebens der Patienten und kommen mit Erkrankungen in Berührungen, die je nach Jahreszeit variieren. Ausserdem können sie Erfahrung in der Betreuung von chronisch kranken Patienten sammeln.» 

«Man geht vom Symptom aus, um zur Diagnose zu gelangen und die Behandlung festzulegen», fügt Dr. med. Antoine Meyer hinzu. Dazu muss auch der Alltag des Patienten berücksichtigt werden. «In der Arztpraxis hat man eine langfristige Sicht und arbeitet vernetzt. So befasst man sich z. B. mit den Auswirkungen, die eine Augenoperation auf den Alltag hat, oder der Dauer einer Behandlung von Bluthochdruck.» 

Der Master in Zahlen

32,9 Millionen Franken beträgt der Verpflichtungskredit für den Zeitraum 2018 bis 2022. 

8 neue Professorenstellen (VZÄ) wurden geschaffen. 

120 Studierende werden insgesamt den Master absolvieren, wenn die drei Studienjahre angelaufen sind. 

Über 60 Hausärztinnen und -ärzte nehmen Studierende für Praktika auf. 

5,9 Millionen Franken kostet der Betrieb des Masterstudiengangs pro Jahr. 

40 Studierende sind im ersten Studiengang 2019 gestartet. 

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